"gesäubertes" Kauen bleibt leise

  • Es ist zwar kein Audacity-Problem, sondern ein allgemeines Tonproblem.
    Ich möchte Kauen als Sound laut hinbekommen, aber irgendein Hall oder ein Scherbeln, das ich vorher weggekriegt habe, kommt wieder rein.
    Ich bin eine ziemliche Anfängerin, was Ton betrifft, hat jemand eine Idee, in welche Richtung ich suchen könnte? Vielen Dank.

  • Das Hauptproblem dürfte sein, dass das Kauen (das Geräusch) als solches schon ziemlich leise ist, das Mikrofon aber natürlich auch alle anderen Umgebungsgeräusche mit aufnimmt. Als erstes solltest Du versuchen, das Kauen entweder an einem Ort aufzunehmen, an dem es besonders ruhig ist (ich mache solche Aufnahmen z.B. meist mitten in der Nacht, wo keine Autos vor dem Haus rumfahren) oder was auch ein ganz einfacher Trick ist: versuche mal ob es was bringt wenn Du das Kauen z.B. unter der Bettdecke aufnimmst, weil die Decke ja auch nochmal einen Grossteil der Umgebungsgeräusche 'wegschluckt'.


    Wenn es überhaupt nicht funktioniert (und es Dir nichts ausmacht) kannst Du mir mal ein paar Sekunden von Deiner Aufnahme an meine e-mail Adresse schicken, weil ich ich weiss, dass sich so etwas mit Worten schlecht beschreiben lässt. Ich kann das dann mal selbst versuchen, was sich da so machen lässt.


    (Der Link mit der e-mail Adresse funktioniert nur für angemeldete Forums-Mitglieder).

  • Vielen Dank edgar-rft


    Effektiv, werden beim Verstärken des Kauens alle Nebengeräusche lauter, die ich glaubte weggepusht zu haben. Die Aufnahme geschah an einem stillen Ort, aber ich fürchte, das ursprüngliche Rauschen stammt von meinem alten Sony Kassettenrekorder.
    Gerne schicke ich dir ein Versucherli. Entschuldigung, dass ich erst so spät antworte, aber ich dachte, ich werde per email benachrichtigt.

  • Fragen aus proto's e-mail, die für das Forum interessant sein könnten:


    Zitat

    proto: ... bei der Verstärkung des Tones ist so ein Hall, den ich nicht wegbringe ...


    Schlechte Nachrichten: Hall-Eeffekte nachträglich zu entfernen ist nicht möglich da es sich im Prinzip um in sehr kurzen Zeitäbständen überlagerte Wiederholungen des Originalssignals handelt, die nachträglich aber nicht mehr zu trennen sind.


    Zweites Problem ist, dass das menschliche Gehirn auf Halleffekte sehr empfindlich reagiert, da es gewohnt ist, sich an Hand von Hallsignalen in der Dunkelheit zu orientieren. Das merkt man selbst aber meist erst dann, wenn man versucht, einen Halleffekt wieder wegzubekommen. Ich selbst habe das noch nie wirklich überzeugend geschafft.


    Das Problem ist also bekannt, ich selbst weiss da aber keine andere Lösung als die Originalaufnahme mit einem Bettlaken über dem Kopf zu wiederholen (das sieht zwar dämlich aus, geht einfacher einfacher als einen Raum zu finden, der nicht hallt).


    Zitat

    proto: ... ich habe angefangen, ganz leise Aufnahmen zu vervielfachen, aber auch die unerwünschten Geräusche werden summiert und sind plötzlich wieder hörbar ...


    Das ist deshalb, weil das menschliche Gehirn in der Lage ist Geräusche 'auszublenden' (was ich nicht hören will, das höre ich nicht). So kannst Du zum Beispiel einzelnen Leuten zuhören, auch wenn viele Leute um Dich herum reden (Schulhof, Bushaltestelle etc.). Ein Mikrofon ist aber leider dumm und nimmt eben alles gleich laut auf, auch das, was Du nicht hören willst. Da es sich bei einer Mikrofonaufnahme noch dazu nicht um eine wirkliche Aufzeichnung der Realität sondern im Prinzip um einen akustischen Trick handelt, ist das menschliche Gehirn hinterher nicht mehr in der Lage die unerwünschte Geräusche 'auszublenden', die man selbst während der Aufnahme oft gar nicht gehört hat. Du musst also eine Mikrofonaufnahme also nur laut genug verstärken, und alles ist wieder da.


    Ein bekannter Versuch dazu geht so:


    Nimm die Gespräche der Leute um Dich herum mit einem Stereomikrofon auf (Schulhof, Bushaltestelle etc., frag aber lieber vorher). Wenn Du beim Aufnehmen die Augen zu machst ist es trotzdem kein Problem, den Gesprächen um Dich herum zuzuhören, natürlich nicht allen auf einmal, aber das Gehirn ist in der Lage, sich 'auszusuchen', wem es zuhören will. Wenn Du Dir anschliessend die Stereoaufnahme mit einem Kopfhörer anhörst, kann das Gehirn die Gespräche nicht mehr unterscheiden und Du verstehst nur ein wirres Durcheinander. Eine Tonaufnahme ist eben keine direkte Abbidung der Realität.


    Es ist also sehr wichtig (und sogar die eigentliche 'Kunst' beim Aufnehmen), gleich schon bei der Aufnahme nicht nur das aufzunehmen, was man hören will, sondern vor allem das auszublenden, was man hinterher NICHT hören will. Das bekommt man aber nur durch viel Üben raus, was gleichzeitig bedeutet: viel falsch machen. Was ich damit sagen will, ist, dass so etwas nicht so einfach ist, wie die meisten Leute sich das vorstellen, dass Du aber auch bitte nicht enttäuscht sein sollst, wenn es nicht sofort 100% so funktioniert, wie Du gedacht hast. Auch bei mir funktionieren nur die wenigsten Aufnahmen sofort und beim ersten mal gleich so, wie ich das haben wollte.


    Eine weitere Sache könnte sein, dass es im Prinzip zwei Arten von Mikrofonen gibt:


    * Kugelmikrofone, die nach allen Seiten hin gleich laut aufnehmen (auch nach hinten, deshalb heissen sie 'Kugel').


    * Nierenmikrofone, die nach vorne hin lauter aufnehmen als z.B. zu den Seiten hin oder nach hinten. Wenn man alle Linien um das Mikrofon herum, die gleich laut sind, auf ein Blatt Papier malt, sieht das aus wie eine Niere.


    Falls es sich um ein im Aufnahmegerät eingebautes Mikrofon ist es meist ein Kugelmikrofon. Auch bei den meisten der als Zubehör mitgelieferten Mikrofone handelt es sich um Kugelmikrofone.


    Der Vorteil von Kugelmikrofonen ist, dass man sich keine grossen Gedanken machen muss, wie und wo man sie aufstellt, weil sie in jede Richtung gleich gut aufnehmen.


    Der Nachteil von Kugelmikrofonen ist, dass sie wirklich ALLES, was um sie herum passiert, aufnehmen, vor allem auch das, was man NICHT aufnehmen will.


    Ich weiss jetzt natürlich leider nicht für ein Mikrofon das ist, mit dem Du das aufgenommen hast, aber bevor Du für irgendwas Geld ausgibst, versuche mal, ob das Hall-Problem weg ist, wenn Du die Aufnahmen nochmal unter der Bettdecke wiederholst. Zumindest der Halleffekt sollte danach verschwunden sein.


    Einen Halleffekt hinzuzufügen, wenn zu wenig hallt, ist überhaupt kein Problem. Aber so etwas bitte erst *ganz am Schluss* machen, weil zuviel Hall wieder wegzubekommen ist unmöglich.

  • Deine Ueberlegungen sind ja spannend! Vielen Dank für diese lange und informative Antwort, Edgar!


    Auf eBay hatte ich ein altes Sennheiser MD-421 Mikrofon ersteigert, das glaub nierenförmig ist, und sogar speziell richtungsbetont ist.
    Das mit dem Hörenwollen ist interessant. Was vielleicht auch etwas ausmacht ist das sich Gewöhnen an Nebeneffekte wie Scherbeln, sie wegdenkt, aber am nächsten Tag ist alles wieder da.
    Hast du bei der 'Uraufnahme' einen Hall gehört? Der Raum hat effektiv einen schönen Hall.
    Meine Sünde ist aber, ich hatte selber Hall hinzugefügt, um nämlich das letzte Scherbeln wegzubringen. Da ich merkte, dass da nichts mehr zu machen ist, habe ich selber auf frühere Tondateien zurück gegriffen.
    Gestern fabrizierte ich dann aus einer Datei, die nur noch ein leichtes Scherbeln hatte lauter kleine Teilstücke und setzte sie nachher wieder zusammen. So blieb das meiste Scherbeln weg. Obwohl ich mit allen genau dasselbe tat, Normalize allerdings verschieden auf leise oder laute Stücke wirkte, sind unterschiedliche Hintergründe hörbar, ich werde versuchen, sie Stücke neu zu ordnen und manche noch wegzuschmeissen. Repetitionen schaden nicht, es sollte ein Prototyp-Kauen werden.
    Sicher werde ich aber auch deinen Ratschlag befolgen und eine neue Kauserie unter der Bettdecke aufnehmen.
    (Da ich heute das Ding zu einer Animation montieren sollte und sowieso eine andere Tondatei nehmen muss, habe ich jetzt keine Deadline mehr.)
    Ich muss noch gestehen, dass ich auch mit Soundtrack Pro arbeite, aber Audacity kenne ich einfach immer noch besser. Ausserdem gibt es Funktionen wie 'Change Speed', die mir unentbehrlich sind. Audacity finde ich ein geniales Programm!


    Ich bin überwältigt von der Genauigkeit deiner Antwort! Ich hoffe noch viele Fragen stellen zu können. Vielen Dank! :)

  • Zitat

    ... Sennheiser MD-421 ...


    ... ist auf jeden Fall ein Nierenmikrofon. Du hattest (glaub' ich zumindest) irgendwas von Kassettenrekorderaufnahmen geschrieben und ich wusste nicht, ob es sich nicht vielleicht um ein eingebautes Mikrofon im Kassettenrecorder handelt.


    Zitat

    Hast du bei der 'Uraufnahme' einen Hall gehört?


    Nein, habe ich nicht, das Rauschen erschien mir zunächst als das wesentlich schlimmere Problem, deshalb ja der Riesenvortrag über Geräusche, die man selber während der Aufnahme gar nicht hört. Die 'kleinen' Geräusche findet man meist erst dann, wenn die 'grossen' Geräusche weg sind.


    Zitat

    ... vielleicht auch etwas ausmacht ist das sich Gewöhnen an Nebeneffekte wie Scherbeln, sie wegdenkt, aber am nächsten Tag ist alles wieder da ...


    Das Hauptproblem meiner Erfahrung nach ist, dass es in der Umgebung beim Aufnehmen eigentlich nie so totenstill ist, dass das Gehirn überhaupt in der Lage wäre, die leisen Geräusche zu hören, die dann hinterher beim Nachbearbeiten (mit meist einiger Nachverstärkung) auf einmal alle da sind, weil sie nämlich beim Aufnehmen von den lauteren Geräuschen überdeckt werden. Das ist mir selbst schon mindestens tausend mal passiert. Ich ärgere mich dann selber immer, weiss aber mittlerweile, dass es an der Dummheit meines eigenen Gehirns liegt. Ton ist eigentlich zur Hälfte eine Medizin-Baustelle, weil, wie Geschichten wie z.B. mp3-Komprimierung beweisen, nur etwa fünf bis zehn Prozent der Schallereignisse um uns herum vom Gehirn überhaupt wahrgenommen werden. Welche das genau sind, lässt sich nur durch viel üben herausfinden.


    Zitat

    ... dass ich auch mit Soundtrack Pro arbeite ...


    Ich kam eigentlich mal zu Audacity weil ich die Mehrspurprojekte von FinalCut/Soundtrack auf keinem Windows Rechner öffnen kann (Film ist meist ein Mehr-Personen Projekt und viele Leute arbeiten eben auf Windows). Audacity aup-Projekte kann ich im Mac auf CD Brennen (oder über USB/Firewire ausspielen) und in Windows wieder öffnen, und alle meine siebenhundertfünfzig Tonschnipsel sind immer noch da, wo sie auf dem Mac waren. Um das dann am Ende wieder in FinalCut zu importieren musst Du leider alle Spuren als einzelne AIFF Dateien in Audacity exportieren und in FinalCut wieder wieder importieren. Das nervt zwar, geht aber als Multiplattform Projekt wesentlich einfacher als jedesmal mit zehn oder zwanzig WAV oder AIFF Dateien rumzuhantieren.

  • Der Kassettenrecorder ist ein alter Sony TCD-5M. Bei mir spielt Zeit nicht so eine Rolle, aber sobald ich ein bisschen was flüssig habe, möchte ich was Feines Leichtes Digitales.


    Ist das Scherbeln nicht eine Nebenwirkung, beim Rauschen 'wegmachen'? Natürlich ist ständig ein Surren oder was auch immer in der Luft, aber dieses Scherbeln hört sich immer gleich an, ganz gleich, wo ich aufgenommen habe.


    Das Kauen habe ich mit Mühe noch hingekriegt: 5 Minuten NUR Kauen ist schon eine Herausforderung. Die zusammengesetzten Stücke (siehe vorherige Post) habe ich mit Filtern etwas bearbeitet, dann nochmals einfach alles zu sehr Auffallende rausgeschnitten (seltsamerweise gab es nie Clicks), gute Stellen an verschiedenen Stellen reingedrückt. Es klingt nach Kauen, auch wenn ich bei mehr Zeit mehr Rhythmus hätte reinbringen wollen.


    Schwierigkeiten mit Tondateien für Windows habe ich nicht. Aber es ging eine Weile, bis ich merkte, dass ich Dateien aus Soundtrack erst mit Quicktime 'neutralisieren' muss, bevor ich sie in Audacity öffne, sonst stürzt Audacity ab.


    Vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht!

  • Zitat

    Ist das Scherbeln nicht eine Nebenwirkung, beim Rauschen 'wegmachen'?


    So 'komische metallische Hintergrundgeräusche' (FFT-Artefakte heisst das im unverständlichen Fachchinesisch) hast Du mit jedem DeNoiser ('Rauschentfernen' Effekt in Audacity). Ich hatte mal spasshalber Audacity gegen ProTools getestet (ich habe leider selbst KEIN ProTools weil ich es nicht bezahlen kann) und da war ProTools auch nicht soooo viel besser, was ich recht erstaunlich fand. Die eindeutig bessere Lösung wäre ein Aufnahmegerät, das nicht so arg rauscht. Ich habe jahrelang mit einem tragbaren MiniDisk Recorder aufgenommen. Ging eigentlich ganz gut, MiniDisk ist aber gerade am aussterben.


    Zwei RIESIGE und EWIGE Diskussion zum Thema tragbare Aufnahmegeräte findest Du hier im Forum unter:


    Mobile Aufnahmen mit akzeptabler Qualität: http://www.audacity-forum.de/thread/549 (Musicproduction und Mastering)
    Mobile Aufnahmen mit mp3-flash-recordern: http://www.audacity-forum.de/thread/751 (Radioreportage und Interviewbearbeitung)


    Ich glaube da sind so ziemlich alle neueren Aufnahmegeräte dabei, von 'ultrabillig' bis 'wer kann das bezahlen'.


    Zitat

    ... dass ich Dateien aus Soundtrack erst 'neutralisieren' muss ... sonst stürzt Audacity ab.


    Ich weiss nicht ob ich es vielleicht nicht schon einmal gefragt habe (ich beantworte hier mal wieder zehn Fragen gleichzeitig): ist das Audacity 1.2.x oder 1.3.x-beta? Hintergrund der Frage ist: es gibt momentan kein Audacity_1.3.4 für Mac OS wegen ähnliche Problemen. Ist das vielleicht Audacity_1.3.x-beta mit dem Du arbeitest?