Verstärken vs Normalisieren vs Hüllkurve

  • Zum Gruße allsammen!


    Um eine Aufnahme in ihrer Laustärke anzuheben gibt es nach meiner Leserundreise wohl drei Wege:
    1. Verstärken
    2. Normalisieren
    3. Hüllkurve


    Ein einheitliches Bild zeigt sich mir nicht; – bin auch kein Tontechniker oder Physiker, möchte nur die Lautstärke eines schwächelnden Signales anheben, ohne irgendein Verhältnis zu verschieben.
    Warum soll ich Audacity rechnen lassen, wenn die Hüllkurve augenscheinlich Ähnliches leistet? (Wahrscheinlich nicht das gleiche, sonst gäbe es diese Werkzeuge nicht.)
    Was leistet in diesem Zusammenhang der Kompressor? der Leveler?


    Ich nutze die 2.0.5 unter WIN XP Home SP3.


    Danke fürs Mitlesen
    ceoltóir

  • Mahlzeit!


    Nun ja, das ist ein wohl eher theoretischer Ansatz. Ich hab's mal versucht nachzuvollziehen. Dazu habe ich eine CD-Aufnahme als *.wav in Audacity gezogen, und das Original in Arbeitskopien jeweils verstärkt wie auch normalisiert. Da das Original bereits Peaks aufwies, betrug die Verstärkung - logischerweise - 0,0.
    Mir ist lediglich aufgefallen, dass die angezeigten Übersteuerungen ("rote Striche") bei der Normalisierung weniger wurden, sonst aber nichts.


    Rein mathematisch habe ich nach Unterschieden gesucht - und keine gefunden.
    Zu diesem Zweck habe ich das invertierte Original a) mit der Verstärkung und b) mit der Normalisierung zusammengeführt und auf Differenzen in der Hüllkurve geachtet.


    Dass es mit der Verstärkung von 0,0 = Original keine Unterschiede geben würde, war zu erwarten. Doch auch bei der Normalisierung war lediglich eine Null-Linie erkennbar, also kein messbarer Unterschied.


    Das mit dem Hüllkurvenwerkzeug, wir hatten dazu ja bereits eine Diskussion, ist als Verstärkungsinstrument für einen gesamten Titel eher ungeeignet. Es ist für einzelne Abschnitte und die Übergänge dazwischen besser geeignet, z.B. Absenkung eines Bereichs für ein Voice-Over.


    Nicht wirklich im Sinne der Verstärkung, aber ein Instrument zur Angleichung der Lautheit (bei gleichzeitigem Dynamikverlust) wäre noch der Kompressor, von dem ich aber in diesem Fall abrate - es sei denn, die Dynamik ist Dir egal.
    Den Leveler habe ich jetzt nicht getestet; rein von der Theorie her ist das ja ein Kompressor mit langsamen Attack und hoher Release-Zeit.


    Ich selbst wende die Normalisierung vor allem dann an, wenn meine Aufnahme nicht "zentriert" ist, die Hüllkurve also jenseits der Null-Linie liegt.
    Das kann bei Sprachaufnahmen bei manchen Soundkarten passieren; ebenso bei Aufnahmen von Pocketrecordern. Außerdem beseitigt sie, wie oben bereits beschreiben, die ein oder andere Übersteuerung, was die Verstärkung nicht macht.

  • Dank Dir für die Mühe und die ausführliche Antwort.


    Nun, ganz so theoretisch ist meine Frage nicht: es geht darum, analoge LP-Signale zu verstärken, die in der Aussteuerung etwas zu schwach geraten sind; ich gehe vorsichtig zu Werke.
    Ich gehe hoffentlich recht in der Annahme, ein schwaches Signal zu verstärken ist besser als eine Übersteuerung dämpfen zu müssen?
    Damit die Dynamik erhalten bleibe, wäre ein schwaches Signal besser zu normalisieren oder zu verstärken? Verzeih, wenn ich ausdrücklich frage, allein mir ist der Unterschied noch nicht aufgegangen.


    Ich vermag leider nicht nachzuvollziehen, was «jenseits der Null-Linie» liegen bedeutet. Bei zweier meiner LP-Aufnahmen umfaßt das weiße Innere der Hüllkurve den Bereich ±0,5, und diesen zu verändern bringt ein wenig mehr Pegel, indes längst nicht genug, denn:
    der rechte (im Audacityfenster untere) Kanal wird schwächer aufgenommen. Die Hörmitte möchte ich in das rechte Maß zurückschieben; daher meine Frage.


    Gewiß, ich könnte die Kanäle trennen, den schwächeren verstärken und wieder zusammenfügen, doch wie erkennt Audacity dann die Hörmitte? Wenn nicht, dann darf ich so lange verstärken/normalisieren und zurücknehmen, bis ich die Hörmitte rein subjektiv gefunden habe. Mir wäre an einer objektiven Lösung gelegen.
    Helfen könnte ein Nyquist-Modul; die habe ich auch als ZIP gefunden, in dem passenden Ordner ausgepackt, indes wird LRVerst.ny mit seinem vollen Namen «Links + Rechts einzeln verstärken...» nicht angezeigt (es liegen 33 Module vor, davon 19 aufgeführt werden).
    Die Anzahl der Module zu verringern hilft nicht. Was kann ich tun?

  • Zitat von ceoltóir

    Ich gehe hoffentlich recht in der Annahme, ein schwaches Signal zu verstärken ist besser als eine Übersteuerung dämpfen zu müssen?


    Ja, auf jeden Fall!
    Übersteuerungen im digitalen Bereich kann man nicht mehr dämpfen - bei der Aufnahme vor die Wand gefahrene Signale bleiben vor die Wand gefahren.
    Ich habe das gerade an einem meiner Airchecks aus dem Jahr 2009 gesehen: Rot, so weit das Auge reicht, obwohl die Hüllkurve an sich unverdächtig ist. Man hört auch kein Kratzen o.ä., aber das Clipping ist super brutal und auch nicht mehr weg zu kriegen.


    Andererseits: Je schwächer ein Signal aufgenommen wird (und damit um so mehr Verstärkung braucht), desto stärker werden natürlich auch Störgeräusche wie z.B. Rauschen mit aufgenommen.
    Die Kunst liegt darin, das aufzunehmende Signal möglichst hoch einzupegeln, ohne zu übersteuern. Wie damals™, bei der Aufnahme auf einen Cassettenrecorder.


    Zitat von ceoltóir

    Damit die Dynamik erhalten bleibe, wäre ein schwaches Signal besser zu normalisieren oder zu verstärken? Verzeih, wenn ich ausdrücklich frage, allein mir ist der Unterschied noch nicht aufgegangen.


    Die Frage nach dem Unterschied kann ich Dir en détail leider nicht beantworten. Dir könnte aber der Wiki-Artikel "Normalisierung (Audio)" einige Anhaltspunkte liefern.


    Zitat von ceoltóir

    Ich vermag leider nicht nachzuvollziehen, was «jenseits der Null-Linie» liegen bedeutet.


    Dazu findest Du hier im Board einige Hinweise unter dem Stichwort "DC Offset", das sich mit Hilfe der Normalisierung beseitigen lässt (erstes anhakbares Kästchen in der Dialogbox).
    Nähere Informationen zu dem Thema findest Du hier.


    Zitat von ceoltóir

    Die Hörmitte möchte ich in das rechte Maß zurückschieben; daher meine Frage.


    Autsch. Ganz schweres Thema.
    Im Grunde ist das vergleichbar mit dem Drehen am Balance- bzw. PAN-Poti an der heimischen Stereoanlage oder am Mischpultkanal. Das "rechte Maß" ist, Du schreibst es selbst, etwas subjektives. Bei Stereoaufnahmen gibt es da, streng genommen, kein "rechtes Maß".


    Zitat von ceoltóir

    Gewiß, ich könnte die Kanäle trennen, den schwächeren verstärken und wieder zusammenfügen, doch wie erkennt Audacity dann die Hörmitte?


    Gar nicht. Du beschreibst hier die klassische 5.1 Surround-Problematik: Was ist Stereo und wird auf die linken und rechten Satelliten geschickt, was ist Mono und wird auf Center geleitet?
    Hier bedient sich die Technik (nicht nur) bei älteren Aufnahmen eines Tricks: Wenn L minus R = 0, dann ist es Mono und geht an den Center. Alles andere wird als Laufzeitdifferenz betrachtet und auf die Stereolautsprecher gesendet.


    Zu Deiner Vorgehensweise:
    Nicht so kompliziert. Ruf' Dir mal das Einstellungsfenster der Normalisierung auf. Dort findest Du die Option

    Code
    Stereokanäle unabhängig voneinander normalisieren


    Ich sehe das mit gemischten Gefühlen, weil Du damit die Stereobasis verschieben kannst. Vielleicht bringt das in Deinem Fall was, aber es kann auch die ursprüngliche Absicht von Stereo im Musikstück verändern.


    Ich habe hier einen (Hardware-)Multibandkompressor, der die beiden Kanäle getrennt oder gemeinsam ("Couple") bearbeiten kann.
    Bei der getrennten Variante verschiebt sich das Stereopanorama, weil beide Kanäle unabhängig voneinander zum Maximum getrieben werden, und so auch - beabsichtigte! - Laufzeitunterschiede weggebügelt werden.
    Von daher: Erst mal Vorsicht mit der Option und ausgiebig testen, was besser für Dich ist.


    Zitat von ceoltóir

    Wenn nicht, dann darf ich so lange verstärken/normalisieren und zurücknehmen, bis ich die Hörmitte rein subjektiv gefunden habe. Mir wäre an einer objektiven Lösung gelegen.


    So leid es mir tut: Was Hörmitte ist und was nicht, wird für Dich subjektiv bleiben. Das kann Audacity nicht für Dich ausrechnen - wie auch?
    Das geht letztlich nur mit Monosignalen, die super exakt auf L & R gleich ausgepegelt werden müssen - dann hast Du einen Anhaltspunkt, z.B. am Mischpult.


    Saubere Monosignale in Stereospuren zu Testzwecken bekommst Du in Audacity unter

    Code
    Menü: Erzeugen > Tongenerator


    Viel Erfolg!

  • Zitat


    Die Frage nach dem Unterschied kann ich Dir en détail leider nicht beantworten. Dir könnte aber der Wiki-Artikel "Normalisierung (Audio)" einige Anhaltspunkte liefern.


    Darin wird die Amplitudenverstärkung erwähnt, die mich eher darauf bringt, normalisieren und verstärken könnte das gleiche bedeuten. Sagt mir also nicht das, was es einem Kundigeren offenbart. Tut mir leid.


    Zitat


    Dazu findest Du hier im Board einige Hinweise unter dem Stichwort "DC Offset", das sich mit Hilfe der Normalisierung beseitigen lässt (erstes anhakbares Kästchen in der Dialogbox).


    Nein, so zeigt sich meine Aufnahme – glücklicherweise – nicht.


    Zitat


    Nicht so kompliziert. Ruf' Dir mal das Einstellungsfenster der Normalisierung auf. Dort findest Du die Option Stereokanäle unabhängig voneinander normalisieren.
    Ich sehe das mit gemischten Gefühlen, weil Du damit die Stereobasis verschieben kannst. Vielleicht bringt das in Deinem Fall was, aber es kann auch die ursprüngliche Absicht von Stereo im Musikstück verändern.


    Ich habe die Kanäle unabhängig voneinander behandelt: der schwächere wird etwas mehr verstärkt, doch das Ungleichgewicht wird nicht in dem Maße aufgehoben, wie es nötig wäre. Darnach habe ich die Kanäle getrennt, den schwächeren verstärkt (dabei mir auf vier Minuten Gesamtlänge einen roten Balken eingefangen) und dann zusammengefügt: Nahe am Original.


    Zitat


    Andererseits: Je schwächer ein Signal aufgenommen wird (und damit um so mehr Verstärkung braucht), desto stärker werden natürlich auch Störgeräusche wie z.B. Rauschen mit aufgenommen.
    Die Kunst liegt darin, das aufzunehmende Signal möglichst hoch einzupegeln, ohne zu übersteuern. Wie damals™, bei der Aufnahme auf einen Cassettenrecorder.


    Ach, ja, die MC ... da war das Ohr noch nicht so verwöhnt; wir lebten mir Knacksern und Rauschen, dem ‹Lagerfeuer›; – und die Naßabspieler hoben die Nasen.
    Nun, vor der Verstärkung würde ich das Rauschen entfernen, ehe es zu dolle würde.


    Ich weiß, es gehört nicht zum Thema – Admin bitte ein Auge zudrücken –, aber wie überrede ich Audacity dazu, alle ny-Dateien aufzuführen? Vielleicht hilft LRVerst.ny; oder verkürzt es lediglich die Handarbeit?