Die richtige Lautstärke - Clipping vs. DB

  • Hallo,


    ich bearbeite momentan Audioaufnahmen einer Freundin um diese dann als mp3 auf CD zu bannen.


    Nach dem Entfernen der Hintergrundgeräusche und ggf. verstärken von Tiefen habe ich dann mittels limiter auf -3db begrenzt und normalizer -1db gemacht.
    Nun sagt sie dass bei Ihr das vieeeel zu leise ist, und das obwohl massenhaft Clipping drin ist.



    Jetzt habe ich mittels mp3Gain die Lautstärke auf 95 erhöht, höre kaum einen Unterschied, aber angeblich ist es viel besser.


    Wie finde ich die richtige Lautstärke?
    Ist es OK wenn die MP3 die maximale Lautstärke hat (solange nichts überschreit), da der Player die Lautstärke ja regelt?
    Hat das Clipping garnichts mit der Lautstärke zu tun?


    Gibt es in den mp3-Tags Lautstärkeninformationen die von einigen Playern ausgewertet werden, von anderen hingegen nicht?


    Gruß und danke schonmal!

  • Zitat von yasuo

    Wie finde ich die richtige Lautstärke?


    Gar nicht.
    Zunächst einmal ist das menschliche Gehör das am schlechtesten konditionierte Sinnesorgan, das man zu alledem sehr leicht irreparabel schädigen kann. Außerdem lässt es sich am leichtesten betrügen, sonst gäbe es die mp3 (bzw. die gesamte Thematik "Psychoakustik") nicht.
    Hinzu kommt, dass die Bereitschaft, Musik in guter Qualität zu hören, selbige einzufordern und im Markt auch geboten zu bekommen, in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken ist.


    Was heutzutage also als "gute Lautstärke" oder "so klingt es für mich gut" empfunden wird, ist in den meisten Fällen vielmehr eine Kapitulation guten Hörvermögens, zusammen mit der Faulheit, auch mal genauer hinzuhören und statt dessen alles immer nur gleich soßig ins Ohr gedrückt bekommen zu wollen.


    Das alles hat mit Audacity erst mal gar nichts zu tun und ich hoffe, der Admin verzeiht mir diesen |OT|-Ausflug.


    Zu den ID-Tags: Wenn Du mit mp3gain arbeitest, sind die Informationen in der Datei selbst enthalten, auch wenn vereinzelt etwas anderes behauptet wird. Lautstärkeinformationen im ID-Tag hingegen werden von ReplayGain dort hinterlegt und von den gängigen Software-Playern auch ausgelesen. Bei Hardware-Playern bin ich mir da nicht so sicher, aber angesichts der immer mehr ausgelesenen Formate jenseits der mp3 würde mich das nicht wundern.


    Randbemerkung: 95 dB sind in vielen Foren zwar sehr beliebt und das mag auch für Webradios und Hardware-Player gelten - aber spätestens, wenn man solche Dateien bei einer Party, Disco oder auf einer Veranstaltung wiedergeben lassen möchte, geht das schief. Ein mir bekannter Mobil-DJ lehnt aus diesem Grund ihm spontan zugereichte mp3s zum Abspielen grundsätzlich ab. Profis raten zu max. 91 dB, wenn es über eine amtliche PA laufen soll.
    - Für den Knopf im Ohr könnte das allerdings zu wenig sein, und im übrigen würde ich da auch nicht immer Klang erwarten.


    Clipping und Lautstärke?
    Nun... im analogen Bereich gab es bei Tonbändern oder Compact Cassetten je nach Material eine "Aussteuerungsreserve" von bis zu +3 dB.
    Rein mathematisch gibt es die im digitalen Bereich nicht. Bei 16 Bit sind 1111111111111111 = 100% = mehr geht nicht. Voll. Und wenn jetzt noch was nachkommt, ist es Überlauf, und der wird dann zu Clipping umgerechnet. Das muss man nicht zwingend hören, und eine Spitze ist auch sicher mal drin. Allerdings geht man im Mastering davon aus, dass eine bestimmte Anzahl an Clipping je Zeiteinheit schlicht und ergreifend Schrott ist (was viele Labels nicht daran hindert, genau solche Compilations zu veröffentlichen). Deswegen ist es nicht zwingend übersteuert oder maximal laut, aber es klingt einfach nur... Scheiße. Allerdings kann es sein, dass manche Menschen genau das gut finden. Kann man nix machen.


    Na gut: Zurück zu Audacity.
    Wenn das nächste Mal wieder so eine Bitte an Dich herangetragen wird und Du nicht "Nein" sagen kannst (das musst Du wissen - die Erziehung zu gutem Hören liegt letztlich an den Menschen an den Pulten und den DAWs), dann kannst Du es ja auch mal mit der Kompression versuchen. Das stört die meisten Menschen auch nicht mehr.


    Techniker der alten Schule sagen seit Generationen: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich!"

  • Erstmal danke für diesen Exkurs!
    Also war meine Anfangsvermutung - Clipping zu vermeiden - erstmal richtig.
    Da es ein Vortrag ist, ist die "Qualität" nicht ganz so dramatisch, aber es soll ja schon angenehm klingen. Die Rauschunterdrückung wirkt hier schon wunder (ansonsten könnte ich garnicht Verstärken)


    Das mit der Kompression habe ich nicht ganz verstanden - wo ist der Unterschied zum "Normalisieren" nach oben?
    Kann ich ruhig den Kompressor rüberlaufen lassen bis kurz vorm Clipping?


    Und die Funktion "Clip Fix" bei Audacity scheint das Clipping auch nicht auszumerzen



    Ein weiteres "Problem":
    Trotz des am Kragen befestigten Mikros schwankt die Lautstärke mitunter recht stark - sowohl durch die Kopfbewegung als auch durch Veränderung des Resonanzkörpern (Person ändert ihre Position im Raum)kann man das automatisch anpassen?


    Gruß und Danke schonmal!

  • Zitat von yasuo

    Das mit der Kompression habe ich nicht ganz verstanden - wo ist der Unterschied zum "Normalisieren" nach oben?


    Na ja, eigentlich verrät der Name schon alles: "Kompression" bzw. "komprimieren" bedeutet ja "verdichten". Da gibt es noch ein paar zusätzliche Parameter, aber in aller Kürze: Das Signal wird so zusammengestaucht, dass es, hm, gleichmäßiger klingt. Dabei kommt es aufs Finetuning an; Kompression ist per se ja nix schlimmes - es kommt nur auf das "wie" an.


    Im Grunde müsste die Frage lauten, was eigentlich der Unterschied zwischen Normalisierung und Verstärkung wäre...


    Zitat von yasuo

    Kann ich ruhig den Kompressor rüberlaufen lassen bis kurz vorm Clipping?


    Ja, kannst Du. Wobei es vorkommen kann, dass nach der Kompression mehr Clippings drin sind als vorher. Das kann in der Natur der Sache liegen, je nach Parameter(n).
    Im übrigen hast Du die Möglichkeit, nach dem komprimieren zugleich den Spitzenpegel auf 0 dB anzuheben (im gleichen Arbeitsschritt). Danach kannst Du ja eine Reserve von -1 oder -3 oderoder dB mittels (negativer) Verstärkung oder Normalisierung einrichten.


    Zitat von yasuo

    Und die Funktion "Clip Fix" bei Audacity scheint das Clipping auch nicht auszumerzen


    Dazu gibt es einen Wiki-Artikel. Wenn ich das richtig im Kopf habe, braucht es dazu eine Reserve von 10 dB = erstmal den Pegel senken. Lies da bitte mal alle Details nach.


    Zitat von yasuo

    Trotz des am Kragen befestigten Mikros schwankt die Lautstärke mitunter recht stark - sowohl durch die Kopfbewegung als auch durch Veränderung des Resonanzkörpern (Person ändert ihre Position im Raum)kann man das automatisch anpassen?


    Ach ja, Fluch und Segen der Lavaliermikrofone (und ihre zum Teil unsachgemäße Handhabung). :rolleyes:
    Ganz so schlecht sind die Teile ja nicht, aber Wunder vollbringen auch sie nicht, und dann kommt es noch auf die Charakteristik an.


    So ganz nebenbei: Der Resonanzkörper wäre in dem Fall der Brustkorb - ich hoffe jedenfalls nicht, dass der sich autonom vom Redner durch den Raum bewegt hat ... :D :-p
    Das Lavaliermic gehört nicht an den Kragen, Himmelherrgottsakra!


    Nein, automatisch kann man da erst mal gar nix machen - höchstens mit extremer Kompression (∞:1), aber auch das wird nicht alles ausmerzen und klingt zu alledem noch arg bescheiden.
    Manuell könntest Du vielleicht mit dem Hüllkurvenwerkzeug arbeiten, aber einfach wird es nicht.


    Ich fürchte, die Freundin wird Dich ziemlich groß zum Essen einladen müssen. Mindestens.
    Viele Audio-Laien stellen sich das nämlich immer so einfach vor - insbesondere dann, wenn bereits bei der Aufnahme viel den Bach runter gegangen ist.
    Kopf hoch, es kann noch was werden!