Weiche Schnitte statt Artefakten bei "ähs"

  • Hallo Profis!

    Ich schneide schon einige Jahre mit Audacity, nun verstärkt Interviews. Da gibt es manche "Äh"s, die so isoliert von ihrer Umgebung stehen, dass sie sich sehr gut rausschneiden lassen, und andere, die stark mit den umgebenden Buchstaben verwoben sind. Bei vielen von denen bleibt, wenn man sie entfernt, ein lautes Störgeräusch (Artefakt) an der Schnittstelle.

    Der öffentlich-rechtliche Sender, für den ich als Freie arbeite, hat ein Programm, das mit einem Auto-Crossfade anscheinend auch solche Fälle "weich" bewältigt (weiß ich nur vom Hörensagen).

    In Audacity scheint dem am ehesten "Clips überblenden" zu entsprechen, aber damit kann ich das Problem nicht lösen. Die Artefakte bleiben weiterhin hörbar.

    Ich bin mir beim "Clips überblenden" auch recht unsicher über die Länge der dafür ausgewählten Zone. Und mir scheint auch, das ist eher für Musikübergange, nicht für Sprache gedacht.


    Kann man das ev. mit anderen Strategien lösen?

    Wäre dankbar für Tipps!

  • Die isolierten Störgeräusche löscht du tatsächlich so, dass Du vor und nach dem Geräusch eine "Stille" suchst. Nur dort kann man schneiden, ohne einen Knackser zu riskieren.


    Mal eine ganze laienhafte Erklärung:

    die Knackser entstehen weil Du eine Audio-Welle nicht extakt im Nulldurchgang erwischt und dann das "letzte" Sample einen Wert von z.b. +0.5 hat. Hat nun das erste Sample nach dem Schnitt einen negativen Wert z.b. -0.5, dann entsteht ein heftiger Wechsel der sich als "Stromschlag" von fast 1V auf den Lautsprechern auswirkt.


    Besser als schneiden wäre also die Laustärke einer solchen Stelle herunterzuziehen und nachher wieder hochzuziehen. Hiebei riskierst Du nichts. Die Werte sinken kontinuierlich ab. In der mitte einer solchen Stelle sind die Werte niedrig, dass nun sogar ein Schnitt zu kaum mehr als 0.1V führt, was den Knackser

    kaum hötbar macht.


    Nachteil des Ausblenden/Einblenden ist, dass man hierfür schon weit vor dem "ähm" anfangen muss und es auch Zeit benötigt bis man wieder hochfährt. Das zieht das Audiomaterial vor und nach dem "ähm" in Mitleidenschaft.


    Meine Vorgehensweise:


    Ich stelle in einer hohen Zoomstufe genau den Bereich des "ähm" fest, markiere sie und wähle nun "Erzeugen -Stille". Anschließend markiere ich den Bereich 200msec vor der Stille und wähle "Effekt-Ausblnden". Anschließend wähle ich 200msec nach der Stille und wähle "Effekt-Einblenden".


    Möglicherweise genügen an manchen Stelle auch 100msec oder 50msec, wenn durch die Aktion das bleibende Audiomaterial zu sehr in Mitleidenschaft geraten würde.


    Ich bevorzuge diese endgültige Methode des echten Ausblenden/Stille/Einblenden. Es gibt aber auch viele, die das Eliminieren mit dem Werkzeug "Hüllkurvenwerkzeug" (im Werkzeugkasten: obere Reihe, zweites von links) machen. Hier kann man die Lautstärke direkt in das Audiomaterial malen und dank verschiebbarer "Vektor-Punkte" auch solange herumexperimentieren, bis die "ähm"-Stelle perfekt getroffen ist.


    So geht es:

    1. Umschalten auf Hüllkurvenwerkzeug
    2. Jetzt mit der Maus 3 Vektorpunkte in der Nähe des "ähm" erzeugen.
    3. Dabei darauf achten, das die Maus möglichst exakt auf den Übergang von grau auf blau klickt.
    4. Jetzt den mittleren Punkt Richtung Nulllinie (mitte) ziehen.
    5. Fertig ist ein perfektes Ausblenden-Stille-Einblenden
    6. Jetzt kann man die 3 Punkte so oft wie man will nach links oder rechts verschieben, bis genau der gewünschte zeitliche Bereich abgedeckt ist.
  • Hallo, danke!


    Mein Vorgehen beim Schneiden ist stets:

    Ich schneide ganz nah an oder auf der Mittellinie (ich setze den Schnitt zuerst nach Augenmaß bei größerer Ansicht - was oft erstaunlich gut funktioniert -, höre vor und zoome dann noch mal ganz weit rein, um die Wellenform zu überprüfen und eine ev. noch perfektere Stelle zu finden. Dabei achte ich auch drauf, dass die Welle in möglichst natürlichem Verlauf weiterläuft. Also wenn sie von unten an die Mittellinie kommt, sollte sie dann nach oben weitergehen.

    Die Welle sieht nach dem Schnitt also perfekt aus. Aber trotzdem geht in einem Fall wie "Garten-ä-center" ein "n" deshalb ja noch nicht garantiert superharmonisch in ein "c" über.

    Es bleibt ein Störgeräusch, das nicht isoliert und leicht rausschneidbar ist, sondern von diesem Nichtzusammenpassen der Buchstaben her kommt.


    Auf Anhieb hat es mit dem Tipp "Stille, Ein- und Ausblenden" mal nicht geklappt: Entweder war der Lautstärkenabfall zu hörbar, oder das Störgeräusch blieb drin. Ich probiere noch ein wenig damit herum, vermute aber, das "c" in Gartencenter ist vom "äh" davor einfach noch mit-verzerrt und ist daher einfach nicht verwendbar.


    Generelle Frage: Gibt es (in eurer Erfahrung) "un-schneidbare" Äh.s? Oder gibt es auch für die allerkniffligsten Fälle eine Lösung?

    Manchmal komm ich mir mit dem Schneiden von Sprache recht einsam vor. Liebe Redakteur/innen da draußen, wo seid ihr und wie geht's euch damit?

  • Ach ja, und Anschlussfrage an Midimaster: Wenn du Stille erzeugst, lässt du die dann so, oder legst du auf einer weiteren Spur an der Stelle Raumton hin? (In meiner Erfahrung geht's nicht ohne Raumton, ich bevorzuge aber in meinen derzeitigen Projekten das Schneiden in einer einzelnen Tonspur.)